Lehrplanentwurf „Ethik“ an NRW-Grundschulen – Stellungnahme des SNW

Es ist längst überfällig, dass Kinder an Grundschulen in NRW ein flächendeckendes Lehrangebot im Bereich Ethik/Philosophie als Alternative für den Religionsunterricht bekommen. Ein wichtiger Meilenstein dazu ist ein Lehrplan, der die Qualität und Eigenständigkeit des Faches sichert. Das Bildungsministerium hat jetzt einen Lehrplanentwurf für das Fach Ethik vorgelegt, wobei „Ethik“ der Arbeitstitel des zu evaluierenden Unterrichtsfaches ist. Hier kann der Entwurf eingesehen werden:
https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplannavigator-grundschule/

Um an der Qualitätsentwicklung mitzuwirken, hat das SNW dem Aufruf zur Verbändebeteiligung des Ministeriums folgend eine Stellungnahme verfasst, die hier heruntergeladen werden kann:

Als Auszug aus der Stellungnahme hier die Gesamteinschätzung:

Der vorgelegte Entwurf ist inhaltlich und konzeptionell eine gute Grundlage für die Gestaltung und Steuerung des geplanten Fachs „Ethik“ (Arbeitstitel) an den Grundschulen in NRW.

Wir begrüßen sehr die hier vorgelegte Konzeption als Inangriffnahme einer wichtigen bildungspolitischen Weiterentwicklung. Die Einführung des Fachs auf dieser Grundlage wird ein bildungspolitischer Meilenstein sein! Der Entwurf schließt bruchlos an die Lehrplantradition in NRW an. Er ist für jede Lehrerin und jeden Lehrer fachlich ohne Unterstützung lesbar und für die Unterrichtsplanung einsetzbar.

Aus unserer Sicht sollten jedoch noch weitere Kompetenzerwartungen ausformuliert werden; es fehlen z.B. die explizite Erwähnung der Gleichberechtigung, die Einbindung evolutionärer Grundlagen und die Thematisierung des Kunstbegriffs. Allen Beteiligten dürfte klar sein, dass die vielfältigen Kompetenzerwartungen der Anpassung an die Umsetzbarkeit im Lehrbetrieb der verschiedenen Stufen der Grundschule bedürfen. Um dies durchführen zu können, ist eine umfassende Ausbildung des Lehrpersonals erforderlich. Diese umfasst Erstausbildung und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrer für die NRW-weiten Bedarfe von Schülerinnen und Schüler. Diese Ausbildung muss allerdings auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen und Teil einer schulischen Gesamtkonzeption über sämtliche Stufen hinweg sein.

Insofern ist es vonnöten, unter Einbeziehung des Bedarfs an den weiterführenden Schulen in diesem Bereich Lehrstühle im Fach Ethik (Arbeitstitel) einzurichten; für ein Schulfach, welches fächerübergreifend als eine Art „Bildung generale“ verstanden werden sollte. Wir fordern, dass das beschriebene Fach zügig an allen Grundschulen des Landes als verbindlich vorgeschriebener Unterricht eingeführt wird.

Stellungnahme zum Antrag „Philosophie verleiht Flügel“

Stellungnahme

 zum Antrag „Philosophie verleiht Flügel“  –  Anhörung A 15

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

das Säkulare Netzwerk NRW (SNW) begrüßt den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90 Die GRÜNEN „Philosophie verleiht Flügel“ auf Einführung eines Ethik-Unterrichts in der Grundschule als einen ersten wichtigen und richtigen Schritt, auf die veränderte kulturelle Lebenswirklichkeit in Nordrhein-Westfalen zu reagieren und bildungspolitisch gestaltend tätig zu werden.

Angesichts der heutigen Vielfalt der teils gelebten, teils formalen Religionszugehörigkeiten und der stetig wachsenden Zahl an bekenntnisfreien Schülerinnen und Schülern in unseren Schulen ist es unter dem Aspekt der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG) eine dringend notwendige Aufgabe des Staates, allen Schülerinnen und Schülern in allen Schulstufen und Schulformen fachlich fundierten Ethik-Unterricht an­­zubieten.

Das Fach sollte mit altersgerechter Anschaulichkeit und erprobter Methodenvielfalt

  • zu ethischem und philosophischem Fragen anleiten,
  • Entstehung, Wandel und Geltung ethischer Maximen und Verhaltensweisen reflektieren,
  • verschiedene Methoden der Erkenntnisgewinnung thematisieren sowie
  • Religions- und Weltanschauungskunde umfassen.
  • Zugleich sollte es – ohne von Staats wegen zu indoktrinieren – bei den Kindern auf der Basis des Grundgesetzes und der dort festgeschriebenen Menschenrechte eine Werteentwicklung ermöglichen und fördern und damit zu einer selbstbestimmten Lebensführung befähigen.

Am besten wird diese Zielsetzung durch einen gemeinsamen für alle verpflichtenden Ethik-Unterricht erreicht. Dieser kann

  • die konfessionelle Spaltung und Sortierung überwinden helfen, welche für viele Schulen auch ein handfestes organisatorisches Problem darstellt
  • die kulturelle Integration fördern
  • einen überlappenden Wertekonsens (overlapping consensus, John Rawls) ermöglichen.

Da hierfür die politischen und rechtlichen Hürden gegenwärtig leider recht hoch erscheinen, halten wir es für wichtig, dass das geplante Fach, das wir (nebenbei auch aus pragmatischen Gründen) „Ethik“ zu nennen empfehlen, curricular sowie von den Qualifikationen der Fachlehrerinnen und -lehrer her, so angelegt wird, dass es sich langfristig zu einem integrativen Fach ausbauen lässt.

Es ist selbstverständlich, dass die Philosophie eine Bezugswissenschaft des Faches Ethik ist. Hinzukommen müssen aber auch Psychologie, vor allem als Sozialpsychologie (z.B. Identität, Empathie), des Weiteren die Soziologie (z.B. Gruppen, Rollen, Wir-heiten, Andersheiten) sowie die Vergleichende Religionswissenschaft, schließlich Naturwissenschaften wie Physik und Biologie (z.B. Züchtung, Nahrung, Tierversuche; Geschlechtervielfalt, Heranwachsen) und die Geschichtswissenschaft (z.B. Religion, Gewalt und Frieden).

Im Fach Ethik geht es darum, mit den Kindern zu besprechen, wie es im Umgang der Menschen miteinander und beim Verhalten der Menschen untereinander und psychologisch, soziologisch und historisch zu Regeln, Gesetzen, Normen und Werten kommt.

Die Kinder sollen lernen, dass Ethik etwas ist, das sich durch das praktische Zusammenleben der Menschen entwickelt und sich seit Jahrtausenden, wenn auch langsam, immer wieder ändert und von den Menschen selbst an neue Herausforderungen, denen sie gegenüber stehen, sowie neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die sie erlernen, angepasst wird.

Auf dieser Grundlage soll den Kindern verstärkt Raum gegeben werden zu erfahren, wie durch selbsttätiges (kindliches) Erarbeiten von Regeln ihre eigenen, aber gerade auch die Interessen und Wünsche der Anderen zu berücksichtigen sind und zu einem fairen Ausgleich gebracht werden können, wodurch ethisches Verhalten entsteht.

Zugleich sollten sie angeleitet werden zu erkennen, dass sie auch auf den reichhaltigen kulturellen Schatz der Menschheitsgeschichte zurückgreifen können und lernen auf solche Weise, diesen in seinen diversen Teilaspekten zu hinterfragen, auf seinen menschlich fassbaren Sinn hin zu ergründen und dann gegebenenfalls in Teilen zu überwinden oder weiterzu­ent­wickeln.

Stellungnahme zum Antrag Philosophie verleiht Flügel (als PDF)

der Antrag der grünen Landtagsfraktion findet sich hier

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